Bergfilmfestival Tegernsee 2022

Am Mittwoch, den 19. Oktober 2022 öffnet das Bergfilmfestival Tegernsee seine Pforten – dieses Jahr endlich auch wieder für ein breites Publikum.

Nach zwei Jahren „pandemiebedingter“ Pause fand das Festival wieder im gewohnten Rahmen statt. Ich habe den Eröffnungsabend am Mittwoch, die Abschlussfeier am Samstag sowie die Matinee am Sonntag besucht. Außerdem hatte ich die Gelegenheit, Michael Pause, Direktor des Bergfilmfestivals zu interviewen.

Meine Eindrücke, Mitschnitte vom Eröffnungsabend, Links zu Filmtrailern und das Inteview mit Herrn Pause findet Ihr in diesem Beitrag.

Eröffnungsabend

Begrüßung

Eröffnung des Bergfilmfestival Tegernsee durch Bürgermeister Johannes Hagn am Mittwoch, den 19. Oktober 2022
Eröffnung des Bergfilmfestival Tegernsee durch Festivaldirektor Michael Pause am Mittwoch, den 19. Oktober 2022

Die Filme

Trans Salzburgerland

Sandra Lahnsteiner | Red Bull Media House | Österreich | 47 Min. | deutsch

Die Trans Salzburgerland ist ein Skitouren-Abenteuer, von dem jeder träumt. Eine Olympiasiegerin und zwei Profi-Freeriderinnen wagen eine hochwinterliche Skidurchquerung von Sportgastein nach Hinterglemm. Viktoria Rebensburg, Sabine Schipflinger und die Freeride Pionierin Sandra Lahnsteiner kämpfen sich über Grate und Gletscher. Nach den wildesten Abfahrten in aller Welt, entdecken sie jetzt innerhalb von fünf Tagen die Berge ihrer Heimat auf der Trans Salzburger Land. Und als Finale wartet der höchste Berg Österreichs.

Im Interview mit Michael Pause, Viktoria Rebensurg und Sandra Lahnsteiner

24 Stunden Odyssee

Johannes Mair | Alpsolut Pictures | Österreich | 23 Min. | deutsch/UT englisch

Die „Odyssee“ gilt mit der „Paciencia“ als schwierigste Kletterroute in der Eiger-Nordwand. Die ersten Versuche in der 33 Seillängen langen Linie begannen 2009, fünf Jahre später gelang nach fast zweimonatiger Irrfahrt die erste freie Begehung. 2018 wiederholten Barbara Zangerl und Jacopo Larcher die Route, sie brauchten vier Tage. Im Stil der Erstbegeher, dem sogenannten „Bigwall-Stil“, mussten sie dafür Essen, Wasser, Ausrüstung und ein Hängezelt durch die Wand befördern.

Die Kunst, einen Berg zu besteigen

Tom Dauer | Bayerisches Fernsehen | Deutschland | 27 Min. | deutsch

Mit seinem Bildband „Erlebnis Berg: Zeit zum Atmen“ gab Reinhard Karl dem Lebensgefühl einer Generation von Bergsteigern und Kletterern Ausdruck. Seine Werke haben nichts von ihrer Einzigartigkeit verloren. Die Künstlerin Clara Happ fertigt Holz- und Linolschnitte nach Vorlage seiner Fotografien an. Sie geht der Kraft und Ästhetik seiner Texte und Bilder auf den Grund. Reinhard Karl kam mit nur 35 Jahren am Cho Oyu (8.153 m) ums Leben.
Mit „Die Alpen – Eine Reise durch Bayrisch-Afrika“ erhielt der Regisseur 2004 den Preis in der Kategorie Landschaft und 2011 mit „Das zweite Leben des Tal Niv“ eine „Lobende Erwähnung der Jury“.


Am Rande des Festivals

Im Gespräch mit Michael Pause, Festivaldirektor

Über den Bergfilm

Über Bergfilmfestivals

Über das Bergfilmfestival in Tegernsee


Die Siegerfilme

Die folgenden Filme wurden mit den begehrten Preisen in unterschiedlichen Kategorien ausgezeichnet. Die jeweilige Begründung der Jury füge ich hier ein – ebenso Links zu Trailern oder den ganzen Filmen, je nachdem was ich finde oder die Autoren bzw. Rechteinhaber öffentlich zugänglich machen.

„Alpenland“, Robert Schabus, Österreich

Dieser Film von Robert Schabus ist ein Zeitbild der Berge, aber auch ein Bild unserer Zeit. Er zeigt in imposanten Distanzaufnahmen und lakonischen langen Einstellungen wie der Lebensraum von 13 Millionen Menschen in acht Ländern von der Entwicklung unserer Zivilisation gefährdet wird. Die filmische Erzählung verbindet vielfältige Geschichten aus dem gesamten Alpenraum: Eine Kärntner Bergbauernfamilie macht sich Sorgen um das zukünftige Bestehen ihres Hofes. Ein weltberühmtes bayerisches Skigebiet kann ohne Schneekanonen nicht existieren, die jede einzeln den Gegenwert einer Sozialwohnung hat. Ein französischer Arzt sieht die medizinische Versorgung gefährdet, weil immer mehr Hotels in dem Gebirgstal schließen. Ein portugiesischer Bergbahnangestellter in Zermatt hat in 32 Jahren miterlebt, wie der Gletscher 700 Meter zurückgegangen ist. Ein italienischer Bauer wirkt wie ein echter Outsider, weil er lieber bei den Schafen ist und schlecht verdient, als für mehr Geld in der Fabrik zu arbeiten. Muss Nachhaltigkeit gleich Armut sein? Müssen wir auf wirtschaftliches Wachstum verzichten, um die Welt zu retten? Dieser Bergfilm antwortet auf solche Fragen nicht, aber er lässt uns darüber tief nachdenken.

„Höhenrausch – Die Entwicklung der Höhenmedizin„, David Pichler, Nicolai Niessen, Deutschland

Eine der meist gefürchteten Gefahren für Extrembergsteiger:innen lauert in ihnen selber: Es ist der sogenannte Höhenrausch. Der gleichnamige Dokumentarfilm stellt auf eindrückliche und dramaturgisch packende Weise deren Geschichte und Erforschung dar. Fasziniert folgen wir dem Studienleiter und Höhenmediziner Marc Berger, seinem Forschungsteam und den Probanden bei einer Studie auf der höchstgelegenen Margherita Hütte (4554 MüM). Ergänzt wird dieser Erzählstrang durch Interviews mit dem Bergsteiger, Expeditionsarzt und Höhenmediziner Peter Bärtsch, der auf sachliche und verständliche Weise die Höhenkrankheit erläutert, mit seinem Berufskollegen Oswald Oelz, der von Experimenten an seinem eigenen Körper erzählt, die wesentlich zum Erkenntnisgewinn beigetragen haben, und mit Gerlinde Kaltenbrunner, die als aktive und professionelle Extrembergsteigerin über diese Krankheit reflektiert.

Die Jury überzeugt diese Herangehensweise an die komplexe Höhenkrankheit. Durch die gelungenen Verflechtungen der bergsteigerischen und der wissenschaftlichen Perspektive entsteht ein eindrücklicher Sog (Rausch), dem man gespannt folgt.

„Yukon, un rêve blanc (Yukon, ein Traum in Weiß)“ Mathieu Le Lay, Frankreich

»Yukon – Un rêve blanc« ist nach einem klassischen Muster gestrickt: Der Held bricht allein auf, um in der weiten Welt sein Glück zu finden. Bei diesem französischen Film begibt sich der Tierfotograf Jérémie Villet in die kanadische Provinz Yukon, um dort seiner Leidenschaft nachzugehen: Er macht Fotos von an das Leben in Kälte und Schnee angepassten Tieren. Diese Leidenschaft wird angetrieben von so etwas wie einer unstillbaren Sehnsucht nach absoluter Schönheit. Mitten im Winter, in großer Einsamkeit und Kälte sucht Jérémie eine Bergziege. Dieses beinahe unwirkliche Wesen lebt in einer Form von Berg-Natur, die geradezu abstrakt, ja unbelebt wirkt: Alles ist weiß und kalt. Kongenial zu den zauberischen Bildern des Fotografen sind die Bilder im Film. Es ist der Crew um Mathieu Le Lay gelungen, das Glück dieses ungewöhnlichen Helden einzufangen, als er das erhoffte Foto nach vielen Entbehrungen doch noch schießt.

„Lo Combat“, Gaël Truc, Frankreich

Mit »Lo Combat« erwartet die Zuschauer ein richtiges Schmankerl: Mit den Mitteln des Spielfilms und ironisch eingesetzten Zitaten aus dem Krimi-Genre erzählt der junge italienische Regisseur Gaël Truc die Geschichte einer jungen, noch unerfahrenen Tierärztin, die im dichten Schneetreiben den Weg zu einem Bauernhof sucht, wo eine Kuh Schwierigkeiten beim Kalben hat. Als die Stalltür aufgeht, stehen sich Tradition (Bauer) und Moderne (junge Tierärztin) überrascht gegenüber. Ein langer zweifelnder Blick des Bauern auf die junge Frau beinhaltet das meiste, was über das Verhältnis Mann-Frau, Alt-Jung und Stadt-Land gesagt worden ist. In 15 knappen Minuten werden leichtfüßig und keck archaische Fragen bearbeitet, denn im Stall geht es um Leben und Tod, und dabei auch um das Bewusstsein darüber, wo unsere kulturellen Wurzeln sind – das hat die Jury überzeugt.

„Royaye yek Asb (The Dream of a Horse)”, Marjan Khosravi, Iran

Die junge Regisseurin Marjan Khosravi führt uns in die archaische iranische Bergwelt, der Heimat der fünfzehnjährigen Bergbauerntochter Shahnaz. Der dokumentarische Kurzfilm handelt von einer jungen Frau, die sich gegen die patriarchalen Strukturen ihrer Familie auflehnt. Sie will studieren und Geschichten schreiben. Ihr Vater hat jedoch andere Vorstellungen: Sie und ihre drei Schwestern sollen möglichst früh verheiratet werden, damit ihre zwei Brüder mehr Grundstücke bekommen.

Der Film, welcher starke Einblicke in das zwar bedrohte, aber noch wilde und freie Leben der Bergbauerntochter und ihren Geschwistern gewährt, endet mit ein paar

Zeilen aus einer ihrer selbstgeschriebenen Texte: „Eines Tages schimpfte ein Vater mit seiner Tochter: Sie solle nicht studieren, es sei nutzlos und sie müsse heiraten. So nahm sie ihr Seil und ging den Berg hoch Holz sammeln. Plötzlich sah sie eine Schlange auf dem Weg, das einzige wovor sie sich fürchtet auf dieser Welt. Sie sagte sich: Ich stelle mich der Angst ein für alle Mal.

Bemerkenswert wie der Mikrokosmos in Shahnaz’ Bergen einen Bogen zu der gegenwärtigen Situation im Iran schlägt.

„Le grand marais – Das große Moor“, Clara Lacombe, Frankreich

Der Film von Clara Lacombe setzt Tiere und Pflanzen mit Sorgfalt und Liebe in Szene. Zugleich scheint der Blick des Objektivs das Interesse mancher Arten auf die Welt der Menschen einzufangen. Kamera, Ton, Musik und Text verschmelzen zu einer organischen Einheit, die eine märchenhafte Atmosphäre schafft – für Kinder und Erwachsene gleichermaßen spannend. Diese utopische Welt ist heute vielleicht nur in einem Naturschutzgebiet möglich. Die virtuose Kameraführung offenbart ein Modell für die Koexistenz von Mensch und Natur.

„The Disappearance of Janusz Klarner“, Franciszek Berbeka, Polen

Dieser Film bringt uns auf eine Spur. Er führt uns in den Himalaya, um dort zu ergründen, warum Menschen auf mysteriöse Weise verschwunden sind. Einer davon ist Janusz Klarner, der nach seiner Erstbesteigung der „Nanda Devi East“ viele Jahre später in Warschau seine Wohnung verließ und nie mehr zurückkehrte. Schuld daran kann nur die Rache der Berggöttin sein, deren Frieden die polnischen Bergsteiger damals mit ihrem Gipfelsturm gestört haben. Zu diesem Schluss bringt uns jedenfalls Regisseur Franciszek Berbeka, der frech Filmmaterial und Fakten zusammenfügt – so wie er will. Im Stile einer Stummfilm-Dokumentation ist ein Film herausgekommen, der uns Zuschauer schaudern und spekulieren lässt: über das Ungeheure, das wie eine Berglawine, wie ein Bombenhagel, über einen kommt. Über das Ungeheuer, das uns anschaut und für immer im Gedächtnis bleibt, wenn Menschen verschleppt werden und für immer verschwinden. Der Preis „Besonderer Bergfilm“ geht an „The Disappearance of Janusz Klarner“, weil er uns durch seine experimentelle Art so schön ermuntert, Bergfilm spannend anders zu erzählen.

„Kjerag Solo“, Alastair Lee, Großbritannien

Alastair Lee gelingt es, die Zuschauer mittels besonderer Kameratechnik an derwaghalsigen Solobegehung einer Bigwall in Norwegen geradezu persönlich teilnehmen zu lassen. Der Film zeigt Bilder von höchster Intensität und Kletterszenen aus den außergewöhnlichsten Perspektiven.

„Inheritance“, Aiymkul Temirbek kyzy, Kirgistan

Inheritance heißt Nachlass. In diesem kurzen Film vermittelt Aiymkul Temirbek in ruhig-beobachtender Erzählform die Wahrung einer (kunst)handwerklichen Tradition in Kirgistan. Wie nebenbei gelingt es dem Film, das Nachdenken über schwindende Traditionen und Veränderungen in den Gesellschaften anzuregen.

„The Fading Nomads“, Wie Shengze, China

Wohin der Traum von einem modernen Leben führen kann, zeigt der Film „The Fading Nomads“ vom chinesischen Regisseur Wie Shengze. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine mongolische Nomadenfamilie zweimal mit der Kamera zu besuchen. Einmal in einer Zeit, in der die Familie auseinanderbricht und ein Teil der Familie das traditionelle Nomadenleben aufgibt. 18 Jahre später ein zweites Mal, um zu sehen, was aus dem Traum geworden ist. Angekommen in einer Trabantenstadt, zeigt der Film eindrücklich, wie sich Menschen den Zwängen des modernen Lebens unterordnen, auch wenn sie darunter leiden. Vom freien Leben damals in der Jurte im Hochgebirge, in der wilden Natur mit Pferderennen, ist jetzt nur noch ein Traum geblieben. Wie Shengze stellt mit seinem Werk die für alle zivilisierten Gesellschaften entscheidende Frage: Was aufgeben, um was zu gewinnen? Wer kann schon behaupten, diese Frage beträfe nur China? Dass uns jedoch diese so authentische und kritische Momentaufnahme aus einem verschlossenen Land überhaupt erreicht, macht den Film noch wertvoller. Die Jury bedankt sich herzlich für diesen eindrücklichen Lebensraum-Beitrag mit einer lobenden Erwähnung.


Weitere Infos:

Link zur Homepage des Bergfilmfestival Tegernsee

Danke:

Ich bedanke mich bei der Festivalleitung für die freundliche Unterstützung durch Bereitstellung der Pressekarten ohne die dieser Beitrag nicht möglich wäre.

Ein Kommentar Gib deinen ab

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..